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Villa Italia

Die Errichtung einer exklusiven Wohnanlage im italienischen Baustil in unmittelbarer Nähe des Steinheimer Turms ist bei den Bewohnern der Altstadt auf Unverständnis gestoßen. Nachdem in der Presse die mediteran gestaltete Gärten und hochwertige Ausstattung des sogenannten „italienischen Dorfes“ gelobt wurden, sind kritische Stimmen zur Bebauung bisher weinig bekannt geworden. Nur unsere Narren am Rosenmontag mit dem Motiv "VILLA  ITALIA - nicht zu fasse, soll in unsere Altstadt passe?" haben dazu ihre kritische Meinung dargestellt. Narren sagen bekanntlich die Wahrheit und so drücken sie auf ihre Weise aus, was viele Bewohner von der nicht ins historische Altstadtbild passenden Bebauung halten. 

Im Verein LSA sind überwiegend Altstadtbewohner organisiert, die Häuser und Grundstücke mit großem finanziellen und persönlichen Aufwand nach den Vorgaben des Denkmalschutzes saniert haben. Damit haben sie einen erheblichen Beitrag zum einmaligen Stadtbild des historischen Seligenstadts beigetragen, das das Markenzeichen der „Perle am Untermain“ darstellt. Ohne dieses Engagement der Altstadtbewohner wäre die Anziehungskraft des Rosenmontagzuges sowie vieler weiterer festlicher Veranstaltungen mit tausenden von Besuchern in diesem Maße nicht vorstellbar. Die Seligenstädter Narren wissen das; die Verantwortlichen aus Politik Verwaltung, Vereinen und Verbänden sollten es ebenfalls würdigen und ihr Handeln danach ausrichten.

Mitglieder unseres Vereins und viele Seligenstädter aus anderen Stadtteilen haben uns angesprochen und sind an der Klärung folgender Punkte interessiert:

  • Wie konnte es geschehen, dass auf einem Gelände innerhalb des Sanierungsbereiches, das Stadtverordnete in der Februarsitzung als ein Filetstück der städtischen Grundstücke bezeichnet hatten, eine Bebauung genehmigt wurde, die absolut keinen Bezug zu einer fränkischen, mittelalterlich geprägten Fachwerk-Altstadt hat?
  • Wer trägt dafür die Verantwortung?
  • Der damals zuständige Bürgermeister erklärt zwar in einem Artikel des PrimaSonntag: „ … die jetzige Lösung gefalle ihm gar nicht, verhindert hat er sie nicht." Wurde dem Verkauf des Geländes an den Hanauer Großinvestor zugestimmt, ohne zu wissen, was dieser plant?
  • Warum wurden die für die Altstadt geltenden Auflagen im Bereich Gestaltung und Denkmalschutz für den sensiblen Bereich im Vorfeld des Steinheimer Tors nicht angewandt?
  • Kritisch zu Wort gemeldet hat sich auch Herr Bergmann. Er warnt in seinem Leserbrief die Verantwortlichen beim Verkauf der angrenzenden städtischen Grundstücke: „ … das Gelände den Profitinteressen zu opfern, wäre ein Fehler ... “  und äußert die Sorge, dass ein geplantes Bürgerbüro, das Vereinsheim mit den Sportschützen und der Jugendtreff die einziehende „High Society“ stören könnte. Die zukünftige Entwicklung wird zeigen, ob er damit richtig liegt. Da er als damaliger Fraktionsvorsitzender der Mehrheitsfraktion im Parlament diese Entwicklung mit eingeleitet hat, kommt die heutige Einsicht leider spät. Die Planungen können seit kurzem nun auch als Modell „bestaunt“ werden und ein Blick in den Werbekatalog des exklusiven Wohnviertels oder auf www.villa-italia-seligenstadt.de lässt wohl keine Zweifel mehr darüber offen, welchen Umfang das „gelungene Projekt“ (Aussage des Investors) einnimmt und welche Zielgruppe angesprochen werden soll.
  • Wie steht es mit der Verantwortung der am Genehmigungsprozess beteiligten Behörden wie Bauamt und Denkmalbehörde mit ihrer besonderen Verantwortung für den Erhalt schützenswerter historischer Bausubstanz im direkten Umfeld des förmlich festgelegten Sanierungsgebietes?
  • Wer ist verantwortlich für die erst vor kurzem errichtete Säulengalerie auf der Seite des Parkhauses? Liegt dafür eine Baugenehmigung mit Zustimmung des Denkmalamtes vor? Für Besucher, die aus Richtung Hainburg kommen, ist der Blick auf den Steinheimer Torturm mit vorgelagerter römischer Säulengalerie eine städtebauliche Herausforderung der besonderen Art.
  • Interessant wird auch die Frage, wie es mit den weiteren Planungen in diesem Bereich steht? 

Viele Fragen, die uns bewegen und einer Aufklärung bedürfen. Klar erkennbar ist jedoch wieder einmal mehr, dass trotz förmlich ausgewiesener Altstadtsanierung weitestgehend planlos ohne Konzept vorgegangen wird. Hätte man die Altstadtbewohner (oder unsere Narren) rechtzeitig in die Planung miteinbezogen, wäre der größte Eingriff in das historische Stadtbild seit Beginn der Sanierung zu verhindern gewesen und dem einmaligen Panorama, das sich beim Blick vom bayrischen Mainufer auf unsere Stadt zeigte, dieser Stilbruch erspart geblieben.

Der konsequent handelnde Großinvestor jedenfalls ist völlig frei von Skrupeln und lässt sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit seinen als „architektonisches Gesamtkunstwerk hoch gejubelten Palazzi“ feiern. Offensichtlich fehlt auch ihm jedes Gespür darüber, dass die in seiner Hochglanz-Broschüre angepriesene „Stadt, die keine Wünsche mehr offen lässt“ ein Ergebnis jahrhunderte langer Bewahrung von regionalem Stil, Heimatverbundenheit und Pflege von Tradition ist, deren Erhalt im öffentlichen Interesse liegt.

Über Geschmack lässt sich bekanntlich vortrefflich streiten und es geht hier nicht darum, ob uns dieser Baustil gefällt oder eben nicht. Wir möchten auch klarstellen, dass unser Protest sich nicht gegen moderne Wohnanlagen oder gar gegen Italienische Wohnkultur wendet.

Wir wenden uns mit unserem Artikel an die Öffentlichkeit, weil wir in dieser Bebauung in unmittelbarer Nähe des Steinheimer Torturms eine Missachtung der bisher geltenden Auflagen für die Gestaltung von Häusern und Anlagen im Sanierungsgebiet Seligenstädter Altstadt sehen. Die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung haben damit eine Entwicklung in diesem Bereich eingeleitet, die von Art, Größe, Baustil und sozialem Umfeld in keinster Weise zum Umfeld der Altstadt passt. Konflikte sind damit geradezu vorprogrammiert.

Für uns Altstadtbewohner, die viele Auflagen und Einschränkungen bei der Sanierung und Nutzung unserer Grundstücke und Häuser hinnehmen mussten und weiterhin müssen, stellt deshalb das „italienische Dorf“ (wie es auch verniedlicht bezeichnet wird) eine grobe Verletzung der uns auferlegten Auflagen bei der Sanierung unserer Gebäude dar. Da wäre es angemessen zu erfahren, mit welcher sachlichen Begründung diese Bebauung von den verschiedenen Behörden genehmigt wurde.

Nachdem die Altstadt, auch durch die Beharrlichkeit seiner Bewohner, geplante massive Eingriffe des ersten Sanierungsplans in den 70er Jahren mit großflächiger „Modernisierung“ der alten Bausubstanz überstanden hatte, sollten die Verantwortlichen heute (auch wenn sie mehrheitlich nicht mehr in der Altstadt wohnen) den hohen Wert der Altstadt erkennen und zukünftig alles dafür tun, um deren Bestand dauerhaft zu schützen. Sonntagsreden helfen uns nicht bei der Bewältigung dieser Aufgabe - wir benötigen Zustimmung und Unterstützung für das Jahrhundertwerk einer lebenswerten Seligenstädter Altstadt. Die Seligenstädter werden es ihnen danken und mit Freude und Stolz am Erhalt unserer über 300 Jahre alten Häuser arbeiten.

Verein Lebenswerte Seligenstädter Altstadt LSA

– Vorstand –

P.S.: Als Freunde und regelmäßige Besucher italienischer Städte können wir uns nicht vorstellen, dass es z.B. in Siena, Lucca oder Pisa möglich wäre, eine „exklusive Wohnsiedlung im fränkischen Fachwerkstil“ im unmittelbaren Umfeld der wunderschönen Altstadtzentren zu errichten.